Pressemitteilung vom 26. Juni 2008
Baden-Württemberg konsequent
gegen ausbeuterische
Kinderarbeit
Land soll künftig nur
Produkte beziehen, die
nachweislich ohne ausbeuterische
Kinderarbeit hergestellt wurden
Der Landtag beschloss am
Donnerstagabend gemäß einer
einstimmig getroffenen
Beschlussempfehlung des
Wirtschaftsausschusses, dass im
Beschaffungswesen des Landes
künftig nur Produkte
berücksichtigt werden sollen,
die ohne ausbeuterische
Kinderarbeit im Sinne der
Konvention 182 der
Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO)
hergestellt wurden. Als Nachweis
sollen neben einer
Zertifizierung durch eine
unabhängige Organisation auch
Selbstverpflichtungserklärungen
der Produzenten in Frage kommen.
Demnach müssen Anbieter
verbindlich zusagen, dass sowohl
Hersteller, Lieferanten wie
Subunternehmer aktive,
zielführende Maßnahmen gegen den
Einsatz von ausbeuterischer
Kinderarbeit eingeleitet haben.
Nach dem Willen der Abgeordneten
sollen landeseigene Unternehmen
und Beteiligungen ebenso
verfahren. Darüber hinaus wird
die Landesregierung
aufgefordert, alle weiteren
öffentlichen Einrichtungen und
die Kommunen zu entsprechendem
Engagement gegen ausbeuterische
Kinderarbeit anzuhalten. Und
schließlich soll die
Landesregierung gemeinsam mit
den im Lande tätigen Verbänden
und Initiativen aus dem Bereich
der Entwicklungszusammenarbeit
Verbraucherinnen und Verbraucher
sowie Unternehmen über die
Problematik der ausbeuterischen
Kinderarbeit informieren und zum
Verzicht auf entsprechende
Produkte auffordern.
Warengruppen, bei denen
besonders häufig ausbeuterische
Kinderarbeit beobachtet wird,
sind Fußbälle, Sportbekleidung,
Spielwaren, Teppiche, Textilien,
Natursteine, Lederprodukte und
Agrarprodukte wie Kakao, Tee,
Kaffee oder Orangensaft.
Bayern, Bremen, Hamburg, das
Saarland, Sachsen und
Niedersachsen haben bereits
ähnliche Beschlüsse gefasst. Die
baden-württembergische
Initiative geht zurück auf einen
Antrag der
entwicklungspolitischen
Sprecherin der GRÜNEN Gisela
Splett, die bereits im Oktober
2006 einen Antrag zum Thema
eingebracht hatte. "Die Meldung,
der zufolge die Natursteine zur
Sanierung des Karlsruher
Schlossplatzes aus Indien
stammen sollten, hat mich
alarmiert. Ich wollte wissen, ob
sicher gestellt ist, dass
soziale Mindestkriterien bei der
Herstellung eingehalten wurden."
Obwohl die Landesregierung dies
in ihrer Antwort (Drs. 14/508)
bejahte, empfand Splett die
Angaben zum konkreten Einzelfall
wenig vertrauenerweckend.
"Bisher fehlen hierzulande klare
Maßgaben zur Berücksichtigung
der Problematik im
Beschaffungswesen des Landes",
so Splett.
Die Beratungen des grünen
Antrags im Wirtschaftsausschuss
verliefen in großem Einvernehmen
und mündeten in dem
interfraktionellen
Entschließungsantrag (Drs. 14/
2044), der am 7. Mai von den
Mitgliedern des
Wirtschaftsausschusses
einstimmig beschlossen wurde.
"Mit diesem Beschluss wird das
Beschaffungswesen des Landes nun
in der Praxis verbindlich
nachgebessert werden", erhofft
sich Gisela Splett.
Die konkrete Umsetzung ist
allerdings noch nicht geklärt.
"Bis Ende des Jahres muss die
Landesregierung den Landtag über
die Maßnahmen zu Umsetzung
informieren", resümierte Splett
und regte an, Erfahrungen aus
Bayern zu nutzen. Die Bayerische
Staatsregierung hat am 28. April
2008 mittels einer
Bekanntmachung zur Vermeidung
des Erwerbs von Produkten aus
ausbeuterischer Kinderarbeit
geregelt, dass staatliche
Vergabestellen eine
Eigenerklärung der anbietenden
Unternehmen einzuholen haben,
die bei Annahme des Angebots
Vertragsbestandteil wird.
Falscherklärungen haben den
Ausschluss aus dem
Vergabeverfahren bzw.
Vertragskündigung zur Folge. "Es
kommt nun darauf an, dass wir
für Baden-Württemberg eine
verbindliche Regelung bekommen
mit praktikablen Kontroll- und
Sanktionsverfahren. Die
Botschaft heißt:
Baden-Württemberg handelt
konsequent gegen ausbeuterische
Kinderarbeit."
Aus grüner Sicht ist der heutige
Landtagsbeschluss ein wichtiger
Erfolg. Allerdings sehen die
Grünen den Ausschluss
ausbeuterischer Kinderarbeit nur
als ersten Schritt für ein
insgesamt faireres
Beschaffungswesen. "Wir wollen,
dass die öffentliche Hand ihre
Möglichkeiten nutzt, Einfluss
auf Produktionsbedingungen zu
nehmen und soziale und
ökologische Kriterien im
Beschaffungswesen stärker als
bisher berücksichtigt", sagte
Gisela Splett.
Info:
Rund 250 Millionen Kinder unter
14 Jahren weltweit müssen
arbeiten, damit sie und ihre
Familien überleben können.
Kinderarbeit in Form von
Sklaverei, Prostitution, Zwang
zu kriminellen Handlungen und
Arbeiten, die für die
Gesundheit, die Sicherheit oder
die Sittlichkeit von Kindern
schädlich sind, sind dabei
international geächtet. Die
ILO-Konvention richtet sich
gegen diese schlimmsten Formen
der Kinderarbeit. Rund 100
Staaten haben sie unterzeichnet,
darunter auch die Bundesrepublik
Deutschland.