Pressemitteilung zu gemeinsamer Pressekonferenz von BUND und GRÜNEN am 17. Juni 2010
Naturschutz wird bei Bauvorhaben oft missachtet
BUND und die Grünen im Landtag fordern die Landesregierung auf, für eine rechtskonforme Umsetzung der Eingriffsregelung zu sorgen
Stuttgart. Streuobstbäume, die ohne Genehmigung abgeholzt werden, fehlende Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Verträglichkeitsprüfungen, nicht umgesetzte Ausgleichsmaßnahmen – die Meldungen häufen sich, dass bei der Aufstellung von Bebauungsplänen in den Gemeinden der Naturschutz nicht ernst genug genommen wird. Die Grünen im Landtag, in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg, wollten es genauer wissen – und ließen nachforschen. Für die Studie „Evaluation der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen bei Bebauungsplänen" hat Diplom-Biologe Thomas Sperle 20 Bebauungspläne aus unterschiedlichen Regionen und von Kommunen unterschiedlicher Größe untersucht und zur Hälfte vor Ort überprüft.
Das Ergebnis war ernüchternd. „Es ist die Regel und leider nicht die Ausnahme: Bei Bauvorhaben in den Kommunen werden die Belange des Umwelt- und Naturschutzes immer wieder missachtet. Die meisten der untersuchten Bebauungspläne haben das Naturschutzrecht nur mangelhaft berücksichtigt", erklärte BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender. „Unter den Defiziten bei der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen leiden die Natur und die Landschaft", sagte die umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Landtag Dr. Gisela Splett: „Bei über zwei Drittel der untersuchten Bebauungspläne fehlten entweder notwendige Ausgleichsmaßnahmen von vornherein oder es stellte sich bei der Kontrolle vor Ort heraus, dass diese entweder gar nicht oder nur mangelhaft umgesetzt worden waren."
Auffallend auch, dass keine Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen eines kommunalen Ökokontos festgesetzt worden sind. Obwohl bei allen neueren Bebauungsplänen ein Umweltbericht formal vorlag, wies dieser in den meisten Fällen schwere Mängel auf. Bei vielen Bebauungsplänen fehlte auch eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, obwohl die Baugebiete in der Nähe von Natura 2000-Gebieten lagen. Ebenfalls alarmierend: „Bebauungspläne zur Innenentwicklung im bestehenden Siedlungsbereich werden fast immer im sogenannten vereinfachten bzw. beschleunigten Verfahren aufgestellt. Da in diesen Verfahren keine Umweltprüfung durchgeführt und kein Umweltbericht erstellt werden muss, finden die Belange des Natur- und Artenschutzes häufig überhaupt keine Berücksichtigung mehr", ergänzte Brigitte Dahlbender. Die Stärkung der Innenentwicklung sei nach Ansicht der Grünen im Landtag und des BUND eine vorrangige Aufgabe der Städte und Gemeinden – umso wichtiger sei es dabei aber, die Gesichtspunkte des Naturschutzes in vollem Umfang zu berücksichtigen.
Um dem Naturschutz bei der Bauleitplanung zu seinem Recht zu verhelfen, fordern die Grünen im Landtag und der BUND von der Landesregierung:
Die Kommunalaufsicht muss für eine rechtskonforme Anwendung der baurechtlichen Eingriffsregelung Sorge tragen.
Die Naturschutzbehörden müssen mit genügend Personal ausgestattet werden, um eine fundierte Stellungnahme in Bauleitplanverfahren abgeben zu können.
Die Genehmigungsbehörden müssen schon bei der Flächennutzungsplanung mögliche Konflikte aufzeigen und Prüfnotwendigkeiten aufzeigen.
Das Ministerium muss fachliche und rechtliche Hinweise für Kommunen zur Beachtung des Artenschutzes, zur Außenwirkung von Natura-2000-Gebieten und zum Umweltbericht sowie Monitoring geben.
Die Landesregierung sollte den Kommunen empfehlen, die anerkannten Naturschutzverbände – auf freiwilliger Basis und über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehend – an der Bauleitplanung zu beteiligen.
Darüber hinaus muss das Biotopwertverfahren der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz weiterentwickelt und die Ökokonto-Verordnung für Eingriffe im Außenbereich nach dem Naturschutzgesetz endlich auf den Weg gebracht werden.
Link zur Studie "Evaluation der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen von Bebauungsplänen"