Pressemitteilung vom 29. August 2007
Ilisu-Staudamm: keine baden-württembergische Beteiligung an Projekt in der Türkei?
Landesregierung sieht keinen Anlass zur Stellungnahme
In der letzten Fragestunde vor der Sommerpause hatte sich die Grüne Abgeordnete Gisela Splett nach einer möglichen Beteiligung der Landesbank LBBW an der Realisierung des umstrittenen Ilisu-Staudamms in der Türkei erkundigt. Staatssekretär Fleischer teilte damals kurz und knapp mit, dass die Bank an einer Exportkreditfinanzierung nicht beteiligt sei und derzeit auch keine Beteiligung erwäge. Auf die Nachfrage, ob die Landesregierung sich als Gesellschafterin der LBBW mit einem Stammkapital von immerhin 35,6 Prozent dafür einsetzen werde, dass auch in Zukunft keine Kredite oder Bürgschaften im Zusammenhang mit dem Staudammprojekt gewährt werden, blieb Fleischer die Antwort schuldig: „Kein Anlass zur Stellungnahme" hieß es lapidar. „Da haken wir schriftlich nach", kündigt Splett an und schickte prompt einen Abgeordnetenbrief hinterher.
Dieser ist inzwischen beantwortet – allerdings fällt die schriftliche Auskunft ähnlich mager aus wie die Antwort in der Fragestunde. Der Finanzminister weist darauf hin, dass die LBBW volle Geschäftsfreiheit hat und die Landesregierung in das operative Geschäft nicht eingebunden sei. Im Übrigen obliege die wirtschaftliche, umweltpolitische und rechtliche Bewertung des Staudammprojekts den zuständigen staatlichen Organen der Türkei. Die baden-württembergische Landesregierung habe keine Zuständigkeiten und daher auch keine eigenen Erkenntnisse.
Eingeräumt wird in dem Schreiben des Finanzministeriums aber nun, dass die Landesbank wegen der Finanzierung des Staudammprojekts angefragt war. Sie habe sich aber nicht an der Finanzierung beteiligt. Welche Gründe hierfür ausschlaggebend waren und ob auch die zeitgleich gestellten kritischen Fragen der Grünen eine Rolle gespielt haben – diese Frage lässt die Antwort des Finanzministeriums offen.
Inzwischen gibt es Informationen, wonach die Deka-Bank in die Kreditgewährung für das Ilisu-Projekt eingestiegen ist. Damit ist die Landesbank Baden-Württemberg zwar nicht direkt involviert, aber als der größte Anteilseigner der Deka-Bank sitzt sie immer noch mit im Boot. Aus Sicht der Landtagsgrünen passt es nicht zusammen, zumal die LBBW vor der Entscheidung der Deka-Bank von der Problematik des Ilisu-Projekts Kenntnis hatte und auf der Grundlage von ihrem Engagement abgesehen hat. „Wenn die ökologischen und sozialen Risiken Grund für die Nichtbeteiligung der LBBW am Staudammprojekt waren, warum steigt dann die Deka ins Geschäft ein", fragt Splett. Die Grünen lehnen jedwede, und sei es indirekte Beteiligung des Landes ab.
Alarmiert hatte die Grünen der Hinweis aus Kreisen des internationalen Netzwerks gegen den Staudamm und seitens der grünen Bundestagsfraktion, dass nach dem Rückzug der Züricher Kantonalbank ZKB) aus der bereits zugesagten Finanzierung eines Kredits Ende Juni eine baden-württembergische Bank sich an der Finanzierung beteiligen wolle. Dies erschien den Grünen nicht gänzlich abwegig, hatte doch die Bundesregierung im März für das Ilisu-Projekt eine Hermesbürgschaft erteilt, mit der ein Anteil von 93,5 Millionen Euro - von insgesamt 450 Millionen Euro - für den Bau von drei Umleitungstunnels und drei Druckstollen durch die Stuttgarter Ed Züblin AG gesichert wird.
Der Ilisu-Staudamm ist ein äußerst umstrittenes Projekt. Als eines der weltweit größten Wasserkraftwerks- und Bewässerungsprojekte (1.200 Megawatt) könnte er zwar klimafreundliche Energie erzeugen. Gleichzeitig wären aber enorme soziale, kulturelle und ökologische Folgeschäden in der Krisenregion Südostanatolien die Folge. Wasserkonflikte sind vorprogrammiert: Der Staudamm soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und dem Irak stauen. Dadurch besteht das Risiko sich verschärfender grenzüberschreitender Wasserkonflikte. Zudem hat die Türkei ihre Anrainerstaaten nicht offiziell zum geplanten Großprojekt konsultiert.
Außerdem würde die unter Denkmalschutz stehende, mehr als 10.000 Jahre alte, älteste ununterbrochen von Menschen besiedelte Stadt Hasankeyf mit etwa 300 weiteren archäologischen Stätten für immer im Wasser versinken.
Gisela Splett: „Die vielen ungelösten Probleme des Projekts, noch anhängige Gerichtsverfahren in der Türkei und vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, unzureichende Umweltprüfung und Umsiedlungsplanung, Zweifel an der Vereinbarkeit des Projekts mit dem Völkerrecht sowie der breite Widerstand der Betroffenen sind aus unserer Sicht hinreichende Gründe für jede verantwortungsvolle Finanzinstitution, sich nicht an Ilisu zu beteiligen."